Dienstag, 11. September 2012

Der Große gegen den Kleinen?

So, oder so ähnlich konnte man das Duell zwischen Deutschland und Österreich bisher meist bezeichnen. Das „große“ Deutschland war schon immer der Favorit im Duell gegen das „kleine“ Österreich gewesen. Doch trifft dies auch auf das Spiel am heutigen Dienstag zu?



Wenn man einen Blick auf die einzelnen Spieler wirft, so könnte man dies fast meinen. Von der individuellen Klasse her, ist Deutschland auf fast jeder Position vermeintlich besser besetzt. Lediglich auf der linken Abwehrseite geht das Positionsduell wohl an das südlicher gelegene Team. Doch dies alleine macht Deutschland noch lange nicht zum Favoriten. Nur mit individueller Klasse gewinnt man heute in den seltensten Fällen noch ein Spiel. Dies mussten u.a. die Bayern schon mehrfach leidvoll erfahren. Durch eine geschickte und aufmerksame taktische Leistung kann man die „Topspieler“ des Gegners durchaus aus der Partie nehmen und das gegnerische Team so um seine individuellen Vorteile bringen. Doch genau hier lag bisher eines der größten Probleme der österreichischen Nationalelf. Von einem Konzept und einem „Match-Plan“ war nur in den seltensten Fällen etwas zu sehen. Die meiste Zeit über schien alles eher auf dem Faktor Zufall zu basieren, doch dies hat sich mittlerweile geändert. Seitdem der Schweizer Marcel Koller die Zügel in der Hand hält, wirkt das Team wesentlich organisierter. Die Handschrift des Trainers, ob man sie nun mag, oder nicht, ist klar zu erkennen und auch eine Strategie, wie man den jeweiligen Gegner knacken will. Alleine diese Tatsache ist schon ein großes Plus für das Nachbarland gegenüber den letzten Jahren, doch es gibt noch einen weiteren  wichtigen Aspekt – die (Auslands-)Erfahrung. Gleich 9 (!) Spieler aus der vermuteten Anfangself kicken in der Bundesliga und nicht wenige von ihnen bei „gehobenen“ Teams, wo sie absolute Stammspieler sind. Der Sprung von Österreich nach Deutschland mag kulturell und sprachlich nur ein kleiner sein, doch die gesammelten Erfahrungen in der Bundesliga bringen die Jungs weit voran. Der Respekt vor den deutschen Spielern dürfte immer noch groß sein, doch man erstarrt nicht mehr in Ehrfurcht vor den großen Namen. Warum auch? Im Ligaalltag merkt man von Spieltag zu Spieltag das es geht und warum sollte dies nicht auch auf internationalem Boden mit der Nationalmannschaft möglich sein?

Dieses gesteigerte Selbstvertrauen spiegelt sich auch in der Stimmung und den Aussagen vor dem Duell wieder. Selten zuvor, ging man in Österreich so offensiv an eine Partie mit dem großen Nachbarn heran. Die Marschroute ist knapp und deutlich: „Sieg? Warum nicht!“ und wenn man die obigen Punkte betrachtet und auch noch bedenkt, dass Österreich auf einen Spieler wie Alaba verzichten muss, dann kann man ihnen nur zustimmen. Warum sollte ihnen der große Wurf nicht gelingen? Die Mannschaft ist gespickt mit guten Spielern, die über eine ähnliche Erfahrung verfügen wie die deutschen  Akteure und sie spielen zu Hause mit den eigenen Fans im Rücken. Dazu kommt der unglaublich groß gewordene Hunger auf einen Sieg. Der Drang, endlich das Image des „Kleinen“ abzulegen und sich, sowie sein Land stolz zu präsentieren und dafür soll und muss ein Sieg her. 


Was man ebenfalls nicht unterschätzen darf ist die momentane Situation der DFB-Elf. Nach Außen hin präsentiert man sich gewohnt gefestigt und erstickt jede Art der Kritik im Keim, wie man es eben vom DFB gewöhnt ist. Ähnlich wie schon Zwanziger ist auch Niersbach der Meinung, dass unter Jogi Löw alles super läuft und jede Art der Kritik ungerechtfertigt ist. Einzig Matthias Sammer darf getrost als positive Ausnahme gewertet werden, doch dieser ist bekanntlich, nicht zuletzt vermutlich auch wegen der „Alles ist immer super“-Stimmung, zu den Bayern geflüchtet. Zwar gab es beim DFB die „große Analyse“, was denn so alles schief gelaufen sei bei der EM, doch wirklich durchdacht wirkte die ganze Nummer nun wirklich nicht. Ein, zwei Spieler werden (vorerst) aus der Startelf genommen und das Pressing soll nach Möglichkeit ein wenig besser werden. Schön und gut und vermutlich sogar auch richtig, aber das soll das Ergebnis der großen Analyse gewesen sein? Löw macht mit seinem Team sicher keinen schlechten Job und man muss ihm die Entwicklung der Nationalmannschaft ganz sicher hoch anrechnen, aber diese komplette Verschlossenheit gegen Kritik von Dritten und die absolut ekelhafte Ignoranz, mit welcher dieser gegenüber getreten wird (siehe Bierhoff gegen Kahn), ist einfach unterste Schublade und gehört sich nicht und auch daran muss sich Löw ink. seines Team messen lassen. 
Ok, kommen wir zurück zum Sportlichen. Deutschland ist verunsichert. Verunsichert in dem Sinne, dass man sich in einer Findungsphase befindet. Niemand weiß aktuell so recht, wie es weitergehen soll und wird. Man hat eine gute Truppe und ist auch in der Lage dazu guten, sogar sehr guten Offensivfußball zu zeigen. Das hat man in der letzten Quali deutlich bewiesen. Doch Löw will das Team verändern. Die Spielphilosophie und die taktische Marschroute verfeinern. Dies dauert allerdings. Die Spieler müssen ihre neuen Rollen erst verstehen und die erforderlichen Automatismen verinnerlichen. Gerade das hohe und aggressive Pressing erfordert eine unglaublich geschlossene Mannschaftsleistung, da jeder Laufweg sitzen muss. Ist dem nicht der Fall, wird es hinten schnell brenzlig und bei Deutschland ist es noch lange nicht so weit, dass man diese Spielart perfekt beherrscht. Nicht zuletzt gegen die Färöer konnte man dies gut sehen, als der Fußballzwerg zu einigen guten Kontern kam und die DFB-Elf ordentlich ins Schwitzen brachte. Die Defensive, bzw. allgemein das Umschalten in die Rückwärtsbewegung ist aktuell ganz sicher noch eines der größten Probleme der Jogi-Truppe. Genau hier gilt es anzusetzen für die ÖFB-Elf. Marcel Koller ist bewiesenermaßen ein Spezialist, wenn es darum geht knappe Erfolge durch eine extrem gute Defensivarbeit zu erlangen. Man muss der deutschen Elf das Leben schwer machen, in dem man die Räume eng hält und Spielern wie Reus nicht die Möglichkeit gibt, ihre Schnelligkeit auszuspielen. Konterchancen werden sich früher oder später dann von ganz alleine ergeben, da die DFB-Elf defensiv einfach noch nicht gefestigt genug ist.


Wer ist nun also der Favorit in diesem Spiel? Trotz der vielen positiven Dinge, die nun für Österreich aufgezählt wurden, bleibt Deutschland auch weiterhin der klare Favorit auf den Sieg. Dafür sind die Unterschiede in den Leistungen der Vergangenheit (sowohl auf dem Platz, als auch auf dem Papier) einfach zu gravierend. Trotzdem sollte man sich, vor allem auf deutscher Seite, so langsam vom „Groß gegen Klein“-Gedanken verabschieden. Österreich hat einfach zu viel an Rückstand aufgeholt. Sie haben ihre Spieler (unbeabsichtigt) wie ein trojanisches Pferd in der Bundesliga platziert und so ebenfalls von der positiven Entwicklung des deutschen Fußballs profitiert und nehmen diese nun auch mit in die Nationalmannschaft. Es wäre daher ein absoluter Fehlgriff davon zu sprechen, dass am heutigen Dienstag der „Große“ gegen den „Kleinen“ spielt. Es spielt einfach Deutschland gegen Österreich und es wird ein verdammt hart umkämpftes Nachbarschaftsduell werden!

1 Kommentar:

  1. Immer wieder, immer wieder, IMMER WIEDER DIESER KAMPF!!!

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