Donnerstag, 30. August 2012

Javi Martinez – Die Lösung aller Probleme?

Javier Martínez Aginaga, so lautet der vollständige Name des teuersten Einkaufs der Bundesliga-Geschichte. Doch wer ist dieser Mann überhaupt, dessen Dienste sich der FC Bayern nach einem wahren Transfer-Krimi gesichert hat?

Die Antwort könnte kurz und knapp sein. Welt- und Europameister ist der spanische Jungprofi. Doch warum bringt man ihn nicht mit Spielern wie Xavi, Iniesta, Casillas oder auch Sergio Ramos in Verbindung? Auch diese Antwort ist schnell gefunden. Er kam während der großen Turniere kaum bis gar nicht zum Einsatz und musste sich mit der Reservistenrolle zufrieden geben und trotzdem bezahlten die Bayern eine, für deutsche Verhältnisse, astronomische Ablösesumme. Ohnehin scheint Martinez ein Talent dafür zu besitzen hohe Ablösesummen zu generieren. Vor knapp sechs Jahren - Martinez war gerade einmal 17 Jahre jung – bezahlte Athletic Bilbao bereits 6 Millionen € an Osasuna. Doch nicht nur das. Erstaunlich war dabei besonders die Tatsache, dass Martinez zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Erstligaspiel bestritten hatte.


Was versprechen sich die Bayern also von dem Mann, der Mario Gomez als teuersten Einkauf der Bundesliga-Geschichte abgelöst hat? Diese Frage lässt sich mit einem einzigen Wort beantworten: TITEL! Um nichts anderes geht es für die Bayern. Die Angst vor dem schwarz-gelben Rivalen ist groß. Viel größer vermutlich, als man es sich selbst eingestehen will. Zwei Jahre ohne Titel schmerzen. Zwei Jahre ohne Titel und mit harten Niederlagen gegen den Verein vom Borsigplatz schmerzen ungleich mehr und daher war es an der Zeit zu handeln, etwas „Verrücktes“ zu unternehmen, wie Uli Hoeneß so schön sagte. Etwas Verrücktes hat man mit dieser Entscheidung definitiv getan, doch dieser Transfer ist noch viel mehr als ein einfaches Zeichen an die Konkurrenz. Allem voran macht man damit deutlich, dass der BVB die Bayern tief getroffen hat. Man nimmt den Kontrahenten aus dem Ruhrgebiet ernst, sehr ernst sogar. Auch das drückt dieser Wechsel sehr deutlich aus. Der Stern des Südens fürchtet, vielleicht zum ersten Mal seit mehreren Jahrzehnten, ernsthaft um seine Vormachtsstellung um deutschen Profi-Fußball und scheint gewillt dazu wirklich alles in seiner Macht stehende zu tun, um sich die Pole-Position zurück zu holen. Auch die Verpflichtung von Matthias Sammer deutet deutlich darauf hin. Vergessen sollte man auch nicht, dass für Xherdan Shaqiri und Mario Mandzukic zusammen ebenfalls rund 25 Millionen € locker gemacht wurden. Damit hat der FCB insgesamt knapp 65 Millionen € für Neuzugänge springen lassen. Hinzu kommen auch noch weitere Ergängzungsspieler wie Pizarro, die den Kader in der Breite deutlich an Qualität gewinnen lassen. Doch kommen wir zurück zu Martinez.

Welche Rolle soll Martinez beim FC Bayern übernehmen? Ist er nur die spielstärkere Alternative zu Gustavo, oder soll er gar Bastian Schweinsteiger den Rang als Mittelfeldchef streitig machen? Planen die Bayern vielleicht sogar in der Verteidigung mit ihm?

Die letzte Frage können wir relativ einfach zur Seite wischen, denn mehr als eine absolute Notlösung ist Martinez für die Bayern in der Innenverteidigung nicht. Mit Dante hat man sich dort allen Anschein nach sehr gut verstärkt und mit Boateng und Badstuber stehen zudem zwei deutschte Nationalspieler zur Verfügung und auch Daniel van Buyten möchte seine letzten Karrierejahre sicher nicht auf der Bank verbringen. Nein, Martinez ist ganz klar für das defensive Mittelfeld eingeplant. Bisher waren die Aufgaben im Mittelfeld bei den Bayern sehr deutlich verteilt. Während die komplette Last des Spielaufbaus einzig und allein auf den Schultern von Schweinsteiger/Kroos lastete, war Gustavo der Mann für die groben Angelegenheiten. Für ihn ging es nur darum den Gegner vom eigenen Tor fern zu halten. Hatte er selbst mal den Ball in der Vorwärtsbewegung, sah es meist recht düster für die Bayern aus. U.a. dies ist auch ein Punkt, weswegen Arjen Robben eine sehr schwere Saison hinter sich hat. Dadurch, dass das Spiel der Bayern meist über Schweinsteiger und damit auch über die linke Seite eröffnet wurde, lief kaum ein Angriff vernünftig über seine Seite und wenn doch, dann ging dem Ganzen ein minutenlanges Ballgeschiebe voraus, während der Gegner sich optimal positionieren konnte. Genau diese Spielweise soll nun Javi Martinez beheben. Vom Spanier erhofft man sich eine Mischung aus Schweinsteiger und Gustavo gesichert zu haben. Jemand der die Defensive organisiert, zusammenhält und gleichzeitig ein Spielgestalter ist, der Bastian Schweinsteiger entlastet und damit das Aufbauspiel wesentlich unberechenbarer gestalten kann. Martinez soll also nicht weniger leisten, als das gesamte Spiel der Bayern und die einzelnen Spieler selbst zu verbessern. Eine sehr hohe Last für einen erst 23-jährigen Nationalspieler, der zum ersten Mal im Ausland aktiv ist. Neben dieser Erwartung drückt ihm zweifelsohne auch noch die Last der Ablösesumme, sowie das extreme Werben und der damit verbundene Vertrauensvorschuss ordentlich auf die Schultern und die Bayern müssen aufpassen, dass ihr neuer Superstar nicht unter eben dieser Last zusammenbricht. Im Optimalfall soll Martinez also das Mittelfeld zusammen mit Bastian Schweinsteiger organisieren. Den Rang als „Chef“ soll und wird er Schweinsteiger vermutlich trotzdem nicht ablaufen… zumindest vorerst nicht. Bis es dazu kommen könnte, dürfte reichlich Wasser die Isar hinunterfließen. Trotzdem wird man ihn langfristig als Wortführer eingeplant haben, denn auf seiner Position ist dies fast unumgänglich. Wer auf dem Platz den Takt vorgeben soll, der wird auch automatisch in eine Führungsrolle gezwungen, da er sein Team im Griff haben muss, um es organisieren zu können. Hier könnte es also zwangsläufig durchaus zu Problemen kommen, wenn man mit Schweinsteiger und Martinez vor der Abwehr gleich zwei Dirigenten hat, auch wenn der eine vielleicht etwas offensiver, als der andere agiert.


Wie weiter oben schon angerissen, könnte sich der Martinez-Deal auch durchaus auf die Leistungen von Arjen Robben auswirken. Durch die wesentlich flexiblere Gestaltung des Spielaufbaus, werden in Zukunft mehr Angriffe über Bayerns rechte Seite laufen und Robben wird daher zwangsläufig aktiver ins Spiel eingebunden. Weiterhin könnte auch Shaqiri dem Holländer nützen, wenn er denn als zentraler Spieler in der offensiven 3er-Reihe aufläuft und durch seine Art zu spielen die Räume schafft, die u. a. Müller im letzten Jahr nicht reißen konnte. Bei Robben wird man natürlich aber ebenfalls noch abwarten müssen, wie er vor allem die mentale Belastung der vergangenen Monate weggesteckt hat. Kaum ein Spieler im FCB-Dress ist wohl so schnell zum Publikumsliebling aufgestiegen und ebenso schnell herabgestürzt wie der holländische Flügelflitzer. Besonders die beiden verschossenen Elfer zum Ende der vergangenen Saison hin dürften ihm spürbar zugesetzt haben und auch die Pfiffe der eigenen Fans, sowie die völlig verkorkste EM waren vermutlich keine all zu große Hilfe für ihn. Robben selbst hat nach außen hin mit diesen Nackenschlägen abgeschlossen, doch ob dem wirklich so ist, wird man wohl erst in den kommenden Monaten feststellen können. Vor allem dann, wenn es wieder eng wird und die Spiele auf der Kippe stehen. Mit Shaqiri verfügt der FCB nun auf jeden Fall über eine ernsthafte Alternative zu Robben, sodass der Holländer sich keinesfalls ausruhen kann und zu guten Leistungen verdammt ist. Doch genau darauf wollten die Bayern schließlich auch hinaus. Man wollte den Konkurrenzkampf neu entfachen, Alternativen schaffen und genau das scheint ihnen gelungen zu sein, denn wenn man einmal die beiden Außenverteidiger ausklammert, scheint jede Position im System mindestens doppelt und qualitativ gleichwertig besetzt zu sein. Egal ob man sich da die Abwehr mit Badstuber, Dante und Boateng anschaut, das Mittelfeld mit Schweinsteiger, Martinez, Kroos, Gustavo, Ribery, Robben, Schaqiri und Müller, oder gar der Sturm, wo selbst ein Pizarro hinter Gomez und Mandzukic vermutlich sogar nur Stürmer Nummer 3  ist. Selbst im Tor haben die Bayern mit Starke eine sehr überdurchschnittliche Nummer 2 verpflichtet.

Letztendlich muss man festhalten, dass die Bayern in der Pre-Season ein deutliches Signal an die Konkurrenz gesendet haben. Man hat einen Kader, der immerhin zweimal innerhalb der letzten drei Jahre das CL-Finale erreicht hat (!), noch einmal deutlich aufgewertet und dafür den Geldbeutel auch erheblich geöffnet. Adressat dieser Kampfansage war allen voran der BVB, welcher sich auch ziemlich beeindruckt gab und den Bayern, taktisch clever, sofort wieder die Favoritenrolle zuschob. Eine Rolle, welche die Bayern kennen und lieben, doch ausfüllen konnten sie diese in den letzten beiden Jahren nicht. Die Bayern haben sich mit ihrer aktuellen Transferpolitik selbst die Pistole auf die Brust gesetzt. Man hat finanziell alles rausgeholt und den vermutlich besten Bayern-Kader seit mehreren Jahrzehnten zusammengestellt. Nun liegt es an Heynckes und seinen Jungs Taten folgen zu lassen und eines der vermutlich sportlich wichtigsten Jahre der Vereinsgeschichte positiv zu gestalten. Man mag es sich kaum ausmalen, was am Tegernsee los wäre, sollte der FC Bayern erneut den Kürzeren im Kampf um die nationalen Trophäen zieht…

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